|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Heinz Kruse / Wolfgang Mittlmeier: Neustart für Europa
1 Europa
wie weiter Die EU hat sich geeinigt. Riesige Summen werden bewegt, um einen konjunkturellen Einbruch zu überwinden. Überwiegend gehen die Finanzen in alte Strukturen. Neues hatte keine Chancen. Für viele EU-Länder bedeutet dies, dass sie bald dauerhaft auf Quersubventionen angewiesen sein werden. Und in den ‚angeblich noch starken‘ Ländern werden die alten Strukturen begünstigt. Neue Wege in der Umweltpolitik - Fehlanzeige, in der Sozialpolitik - Fehlanzeige, in der Wirtschafts- und Strukturpolitik auch Fehlanzeige. Reformen einer kopflastigen Bürokratie - Fehlanzeige, Reformen im politischen Gefüge - Fehlanzeige. Das Programm belegt: In Europa steht Zukunft auf dem Abstellgleis. Seitdem die Miniaturisierung der Informationstechnologie Türen zu einer neuen technischen Welt aufgestoßen hatte, überschlagen sich die Entwicklungen. Gerade realisieren wir die neuen Kommunikationsformen und schon stehen wir vor neuen Entwicklungen, wie z.B. 3-D-Druck, Digitalisierung und KI. Sie revolutionieren nicht nur das Wirtschaftsleben, sondern auch Politik und Gesellschaft. Aber diese Entwicklungen finden in den USA und Asien statt. Europa ist bürokratisch verkrustet. Das Corona-Virus hat diese Entwicklung nicht verursacht, aber deutlich gemacht. Nun geht die Politik davon aus, dass es lediglich einer gigantischen monetären Maßnahme zur Nachfragesteigerung bedarf, um die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Das aber ist falsch, weil es überholte wirtschaftliche Strukturen stützt. Europa braucht eine strukturelle Erneuerung: wirtschaftlich, technisch, sozial und ökologisch. Es müsste grundlegend neu geordnet werden.
Für eine Beibehaltung des bisherigen Weges kämpfen Parteien, Lobby und Systemmedien gemeinsam mit dem Finanzkapitalismus. Sie wollen mit einem gigantischen Finanzvolumen die Rezession bekämpfen. Im Kern geht es dabei um die Fortsetzung bestehender Strukturen und Machtverhältnisse. Es mag ein konjunkturelles Strohfeuer entfachen, aber die Strukturkrise ist damit weder wirtschaftlich noch politisch zu beheben. Es ist zu befürchten: Dieser Weg führt Europa weiter in die Krise. Für den Rückwärtsgang in die Nationalstaaten haben sich neue parteipolitische Alternativen entschieden. Sie haben sich in der Sehnsucht nach der Sicherheit der Nationalstaaten gebildet. und sehen nicht die Zeitbezogenheit des Nationalstaates. Der Weg rückwärts in die Reaktivierung europäischer Nationalstaaten ist im Hinblick auf die globale Entwicklung jedoch nicht sinnvoll, auch wenn die Globalisierung nach der Corona-Krise etwas zurückgedreht werden sollte. Weder durch die Nationalstaaten noch durch übernationale Institutionen gibt es bisher Lösungen für die großen Herausforderungen der Zukunft. Das Parteiensystem ist insgesamt nicht in der Lage, die Strukturkrise Europas zu lösen. Die Lösung für die gegenwärtige Systemkrise erfordert einen Neubeginn mit einem grundlegenden Strukturwandel, der aus unserer Sicht nur vom Souverän selbst kommen kann. Europa muss neu geschaffen werden
Die Herausforderung besteht darin, revolutionäre Brüche zu vermeiden und die bestehenden politisch-administrativen Strukturen in fließenden Übergängen prozessual zu erneuern und zu ersetzen.
Die Alternative für Europa besteht in der Konzentration auf die inneren Kräfte und eine neue Form sozialer und ökologischer Verantwortung. Wirtschaftlicher Wohlstand für alle Menschen in Europa setzt eine Entwicklung der endogenen Potentiale voraus. Um die endogenen Potentiale zu entwickeln muss die Rolle des Menschen als Souverän der Demokratie in den Mittelpunkt gestellt werden. In der neuen Welt kommt es auf Individualität, die Fähigkeit zum Umgang mit komplexen Fragen und Techniken sowie auf Kreativität an. Sie finden sich z.B. in Arbeitsanforderungen moderner Unternehmen (z.B. in der Tesla-Fabrik). Sie sind gleichermaßen wichtig für ein neues soziales und ökologisches Europa. Basis für die neue Rolle des Menschen in Europa ist eine Verfassung, die sich der Souverän selbst gibt. Die mit einer Verfassung vom Volk mögliche Umkehr der politischen Macht ist auch die Basis für die Entwicklung von Regionen, die Europa zukunftsfest und demokratisch machen. Denn Dezentralisierung politischer Kompetenzen bedeutet Subsidiarität im Aufbau der europäischen Verwaltung. Die dafür erforderliche politische Gestaltungskraft kommt vom Souverän, weil sowohl Politik wie auch Administration ein eigenes Interesse daran haben, sich mit zentralistischer Verwaltungsmacht möglichst unabhängig vom Willen und von der Kontrolle des Souveräns zu machen.
Aus dem Programm werden 120 Mrd. € als Subventionsrahmen für regionale Investitions- und Qualifikationsmaßnahmen sowie für ökologische und soziale Zwecke zur Verfügung gestellt. Weitere 120 Mrd. werden für überregionale Projekte aus den Bereichen Qualifikation, Forschung und Entwicklung, Verkehr und Kommunikation vorgesehen. Das Programm wird als regionales Konjunktur und Strukturprogramm über einen Zeitraum von 3 Jahren ausgelegt. Die im Rahmen dieses Projektes geplanten und geförderten Maßnahmen sollen unmittelbar begonnen und längstens in einem Zeitraum von 4 Jahren abgeschlossen sein. Die EU vertraut auf die Innovationskraft der europäischen Regionen und schafft entsprechend Rahmenbedingungen, die ein breites Spektrum möglicher Projekte umfasst. Insbesondere sollen Projekte in folgenden Bereichen entwickelt und umgesetzt werden:
Die Sofortmaßnahmen sollen konjunkturell wirksame Nachfrage auslösen. Ferner sollen sie durch neue Ideen kleinen und mittleren Unternehmen den Markteintritt erleichtern und somit strukturell wirken. Sehr wichtig als Zielgruppe und Träger regionaler Aktivitäten sind die freischaffenden Künstler, Unterhalter, Architekten etc., ohne die eine ganzheitliche Modernisierung nicht zu bewerkstelligen ist. Im Ergebnis erwarten wir multiplikative Effekte und Folgewirkungen in folgenden Bereichen
Es wird besonderer Wert auf die Entwicklung gemeinschaftlicher und gemeinwirtschaftlicher Trägermodelle wie z.B. Erzeuger- und Verteilergenossenschaften, selbstverwaltete Einrichtungen der Energieerzeugung, der Vermarktung regionaler Produkte etc. gelegt.
Die Sammlung und Veröffentlichung wäre ein Startschuss, um
Schon der Einstieg kann eine Möglichkeit sein, vorhandene regionale Potentiale zu erfassen, zu steigern und zu nutzen. Ebenso wichtig ist es, den Einstieg mit einer neuen Form Basisdemokratischer Arbeits- und Entscheidungsprozesse zu verknüpfen. Z.B. ist es angeraten, den offiziellen Start in Regionalinitiativen förmlich mit einer Regionalkonferenz zu starten. Eine Region bietet Identifikation. Kontakte sind direkt und persönlich. Statt einer fernen Bürokratie in der EU schafft die Region eine sprachliche, kulturelle, ideelle Basis des Vertrauens. Eine Regionalkonferenz würde die Wirkung regionaler Maßnahmen erhöhen und konstruktiv die Aufmerksamkeit auf Beispiele und Möglichkeiten lenken, die im Bereich eigener Erfahrungen liegen. Zudem wäre es eine Einübung in basisdemokratische Verfahren. Regionalkonferenzen schaffen eine abgestimmte Übersicht über geplante regionale Maßnahmen und sie haben dadurch wichtige Orientierungsfunktion. Der Austausch von Ergebnissen der Regionalkonferenzen in anderen Regionen würde zudem zu einer Initiierung von neuen Ideen führen. Die Intensivierung der Kommunikation europäischer Regionen untereinander würde befördert und zu weiteren positiven Effekten führen.
Wichtige Faktoren der künftigen Entwicklung sind Produkte und Dienstleistungen, die als Systemleistungen entwickelt werden. Dafür müssen in den Regionen möglichst spezifische, an den unmittelbaren Bedürfnissen und Potentialen orientierte Lösungen gesucht und entwickelt werden. Es ist erforderlich, in ganzheitlichen Lösungen zu denken und zu handeln. Dem wird entsprochen, dass die Regionen selbst entscheiden, welche Projekte erst durch Bündelung und Koordinierung sinnvolle ganzheitliche Lösungen bieten. Einzelne Projekte sollen sich in sinnvolle regionale Ziele und Systeme einordnen. Entsprechend sind die Regionen gehalten, ihre Projekte nach Prioritäten und ganzheitlichen Wirkungen zu ordnen und der EU zur Förderung vorzulegen, solange in den Regionen noch keine eigenen Entscheidungsstrukturen aufgebaut wurden. Die einzelnen Projekte sollen sich in einen regionalen Rahmen einordnen und möglichst Initialeffekte für die weitere Aktivierung von Potentialen der Regionen auslösen. Auch in Einzelfällen soll jeweils dargelegt werden wie sich technische und betriebswirtschaftliche Maßnahmen in ganzheitliche Entwicklungskonzepte einfügen lassen. Um nachhaltige Effekte zu erreichen und vor allem um die regionalen Potentiale zu entwickeln sollen regionale Kräfte Träger der Maßnahmen sein.
Wichtig ist die Koordinierung für Maßnahmen, die überregionale Bedeutung und Wirkung haben. Für alle überregionalen Infrastrukturmaßnahmen ist die Koordinierung von Regionen untereinander verpflichtend. Diese wird ergänzt durch die Einbeziehung staatlicher - und wenn erforderlich - europäischer Institutionen. Sie gilt vor allem bei überregional wirksamen Maßnahmen zur Schaffung und Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen Verkehr, Energie, Wasser und Entsorgung, sowie Kommunikations- und Wissensinfrastruktur. Die Form der Kooperation wird europaweit nicht vorgegeben. Verbindlich ist jedoch eine mindestens vorzusehende Beteiligung der jeweils angrenzenden Regionen. Insofern sind regionale Kooperation und Koordinierung ein Experimentierfeld für neue Formen der dezentralen Zusammenarbeit. In der Vergangenheit haben sich viele Gruppen gebildet, die sich durch ihr bürgerliches Engagement viel Sachverstand angeeignet haben. Es ist von großer Bedeutung, dass fachkompetente Gruppen in die Koordinierung eingebunden werden. Dies erweitert das Spektrum des Wissens über spezifische Schwerpunkte in sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Themen. Gleiches gilt für die Kooperation mit Expertengruppen, die Wissen aus unterschiedlichen Gebieten in die Koordinierung einbringen können.
Der EU sowie den Staaten ist anzuraten, auf der Basis einer intensiven Projektevaluation neue Grundlagen und Erfahrungen aus den Reformschritten zu bekommen, die zur Entwicklung eines innovativen Ansatzes für die künftige Regionalpolitik dienen müssen.
Die Möglichkeiten moderner Kommunikation übersteigen die Verarbeitungsmöglichkeiten staatlicher und überstaatlicher Apparate. Im Ergebnis führt dies zur Überbürokratisierung, die systemischen Unsinn und bürokratische Willkür möglich und wahrscheinlich macht. Dezentrale Steuerung ist eine Möglichkeit zur Reduktion von Komplexität. Souveränität und dezentrale Selbstbestimmung werden damit zum funktional notwendigen Erfordernis. Deshalb erfordert die neue Gesellschaft eine aktive, gestaltende Mitwirkung des Souveräns in der institutionellen und instrumentellen Umsetzung von Politik. Die partizipative und kooperative Einbindung des Souveräns in Politik und Administration sind demokratisch und funktional für die Leistungsfähigkeit zukunftsfähiger politischer Systeme. Deshalb braucht Europa eine konstitutionelle Grundlage, die nicht nur auf Verträgen der Nationalstaaten untereinander beruht, sondern auf einer Verfassung, die sich der Souverän selbst gibt. In dem Sinne ist das wirtschaftlich angelegte Zukunftsprogramm auch eine politische Innovation, wenn sie dazu dient, Regionalkonferenzen zu Selbstverwaltungsinstitutionen auszubauen. Ein Europa der Regionen würde zum politischen Zukunftsprojekt.
Die europäischen Länder blicken auf eine sehr unterschiedliche nationale Entwicklung mit unterschiedlichen politischen Formen und Kulturen zurück. Die Region kann als einigender Begriff in die politische Strukturdebatte eingeführt werden, ohne gegen gewachsene kulturelle Formen zu verstoßen:
Die personellen Besetzungen von Gremien der Region können außerhalb eingefahrener parteipolitischer und institutioneller Interessen vorgenommen werden. Dies lässt zu, Sachverstand, Organisationswissen und Alltagswissen über regionale Besonderheiten miteinander systemisch zu verbinden. Mit diesem Ansatz werden die zentralistischen Strukturen der EU durch Formen, in denen sich dezentral Alternativen sowohl wirtschaftlich, sozial und kulturell entwickeln können. Diese werden dazu beitragen ein neues Verständnis eines vereinten Europas zu entwickeln, das entscheidende historisch gewachsene Qualitäten Europas aktiviert als Merkmal des 'alten Kontinents'. Es ist wünschenswert die Region als politische Einheit auszubauen und aufzuwerten, in der die Vertreter und Vertreterinnen durch Wahl vertreten sind. Langfristig sollten in den Regionen die Kompetenzen angesiedelt werden, die den Rahmen kommunaler Grenzen und Kompetenzen überschreiten. Damit aktiviert der technokratisch scheinende Ansatz über wirtschaftliche Effekte hinaus auch politische Impulse für ein politisch vereintes Europa.
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|