Deutschland nach den Wahlen
von Heinz Kruse und Wolfgang Mittlmeier
(2017)
Im
untenstehenden Artikel zu Deutschland vor den Wahlen wurde darauf
hingewiesen, dass unsere Fassade bröckelt. Dieses Bild ist politische
Wirklichkeit geworden. Die Zerstörung des inneren wie des äußeren Friedens,
die Zukunftssicherheit und viele andere Faktoren wie Alters- und
Kinderarmut, Wohnungsnot sind in ihren Konturen immer deutlicher zu erkennen
und vor allem: Sie wirken sich politisch aus.
Die angeblich mächtigste Frau der Welt ist zur Verliererin geworden und die
einst so stolze SPD ist keine Volkspartei mehr, sondern sie fällt in die
Kategorie derjenigen zurück, die unter ferner liefen gemeldet werden.
Das Gerangel um Posten
Nach dem üblichen Geplänkel zwischen Personen, Parteien und Postenjagd wird
also eine Regierung gebildet. Aber was haben wir von ihr zu erwarten? Um
sich zu orientieren könnte man in die Wahlversprechen blicken. Aber wir
wissen doch zu genau: Für die Wahlversprechen gilt: Wie versprochen - so
gebrochen. Das Ergebnis ist schnell zu beschreiben: von unseren Parteien
haben wir nichts zu erwarten – jedenfalls nichts was positiv in Richtung
Reformen geht. Auch die AfD wird die Welt nicht verändern, wenn sie es
überhaupt versuchen sollte und sie nicht vorher dem Spaltpilz erlegen ist.
Wie die Regierung auch aussieht – der Finanzkapitalismus setzt die Regeln
Die angeblichen politischen Gegensätze der Parteien – ihre Markenkerne –
schließen die gemeinsame Festlegung auf eine Grundlinie nicht aus. Wie G.
Sosna in der Neuen Debatte vom 24.9. richtig schreibt, stellt sich die Frage
nach politischen Markenkernen nicht. Der Konsens ist mit dem überholten
Modell des Finanzkapitalismus vorgegeben. Damit ist die Unterordnung von
Mensch und Natur unter die Bedingungen der Finanzmärkte gesetzt. Da können
Grüne, Rote, Rechte und Linke in ihre Programme schreiben was sie wollen.
Die Interessen des Finanzkapitalismus sind im Europa der EZB, bei Macron und
einer von Merkel geführten Bundesregierung gut aufgehoben. Daran werden auch
die groß angekündigten ‚machtvollen Demonstrationen und Kampagnen‘ für
direkte Demokratie und Umweltschutz nichts ändern.
Was könnte uns erwarten?
Worüber werden wir also nach der Regierungsbildung zu sprechen haben?
Wirklich wichtige Themen werden auf jeden Fall vom Kapitalismus gesetzt: z.
B. Freihandelsverträge, mit denen die Souveränität der Staaten, ihre
Rechtssicherheit und soziale wie ökologische Verantwortung weiter abgebaut
wird. Umwelt und Rohstoffe in Afrika und in anderen Regionen der Welt müssen
frei sein. Und in Europa sorgen neue Standards für die Privatisierung der
Infrastruktur. Bei den Autobahnen hat man schon gut vorgesorgt. Schulen und
Universitäten in privater Hand, sorgen für die richtige Einstellung der
Köpfe. Wer nicht zur Minderheit der Bildungsträger zählt, wird in Leih- und
Zeitarbeitsverhältnissen aufbewahrt. Demokratische Mitwirkung als Reaktion
auf Forderungen nach mehr Demokratie – warum denn so was? Die
zentralistische Bürokratie in Europa weiß doch ohnehin was gut für
Bürgerinnen und Bürger ist. Und im Alter sorgt künftig die zur Euro-Rente
mutierende Riester-Rente für Altersarmut in ganz Europa. Und wie schon in
den dreißiger Jahren gedichtet wurde: sollte sich das kapitalistische System
wieder einmal als Mausefalle erweisen, dann (mit Tucholsky)
wird ein kleiner Krieg gemacht.
Gearbeitet wird daran doch schon ziemlich zielgerichtet.
Was also ist zu tun? Wir leben in einer Zeit des Wandels. Ohne eine
grundlegende Reform unseres politischen Systems werden wir die
Herausforderungen des Wandels nicht meistern können. Wir brauchen eine
Neuausrichtung der Politik. Die wird auch mit den klügsten theoretischen
Modellen nicht zu erreichen sein und auch nicht mit reiner Kritik – seien
die Demonstrationen auch noch so machtvoll. Wir kommen um die Macht- und
Legitimationsfrage als Türöffner und Grundlage für Reformen nicht umhin.
Eine Verfassung vom Volk ist dieser erste Schritt.
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